messung

INNO-KOM-Ost VF 150029


Abstract
Metallisierte Garne werden in geheizter Unterwäsche eingesetzt und dienen der hotspotfreien Stromeinspeisung in CarboTex-Heizungen. Neue Einsatzfelder im Freizeitsport und der Medizin könnten erschlossen werden, wenn sich die Waschbeständigkeit und der elektrische Hautkontakt der leitfähigen Garne deutlich verbessern. Im Rahmen des Vorhabens wurde untersucht, ob sich die kationisch induzierte Polymerisation (katinPol) von Sol-Gel-Monomeren zur Abscheidung der dafür notwendigen Haftvermittlerschichten eignet, welchen Einfluss das textile Substrat auf die Schichteigenschaften hat und ob die daraus resultierenden Prozesskosten eine Fertigungstechnologie rechtfertigen.
Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung eines effizienten und schonenden Verfahrens zur Applikation von nanoskaligen Haftvermittlerschichten auf metallisierten Garnen mittels kathodisch induzierter Polymerisation. Die nanoskaligen Haftvermittlerschichten sind essenziell für die dringend notwendige Verbesserung der Waschbeständigkeit und des elektrischen Hautkontaktes sowie die Funktionalisierbarkeit metallisierter Garne für deren Einsatz bei der Integration elektronischer Komponenten in smarte Textilien.

Aufgabenstellung
Mit der Miniaturisierung elektronischer Komponenten wurden elektronische Geräte, wie zum Beispiel Computer und Telefone, mobil und schließlich tragbar. Diese tragbaren Geräte (Wearables) können Daten von Sensoren und Sensorarrays direkt oder sogar drahtlos über Body Area Networks lesen. Dies bietet neuartige Möglichkeiten für die medizinische Anwendung zur Überwachung der bioelektrischen Signale von einzelnen Patienten sowie in einer Vielzahl anderer Anwendungsbereiche. Um die Spezifikationen für solche Anwendungen zu erfüllen, müssen die Sensorarrays wie auch alle anderen elektronischen Komponenten flexibel und nachgiebig sein, um in die Bekleidung bzw. einen Teil der Kleidung integriert zu werden. Mit Beschichtungen kann eine verbesserte Abriebbeständigkeit das Korrosionsproblem lösen. Die Schutzschichten haben jedoch einen negativen Einfluss auf die elektrischen Kontakte in der textilen elektronischen Struktur. Deshalb werden nanoskalige Schutzschichten benötigt, die die gewünschten elektrischen Kontaktstellen nicht isolieren. Nanoskalige Schutzschichten können flammpyrolytisch mittels C-CVD (Combustion-Chemical Vapour Deposition) appliziert werden. Die C-CVD ist ein hocheffizienter, schnell laufender Prozess mit Temperaturen von mehr als 1800 K in der Flamme des Applikationsbrenners. Trotz kurzer Verweilzeiten verursachen die hohen thermischen und mechanischen Belastungen Schädigungen und eine beschleunigte Alterung der Metall-Polymerverbundstruktur des Fadens. Dazu wurden weitere alternative Beschichtungsmethoden getestet.

Lösungsweg
Es sind selektive elektrochemische Beschichtungsmethoden bekannt, um Nanoschichten zu applizieren. Die elektrochemische Erzeugung vergleichbarer Haftvermittlerschichten durch kathodisch induzierte Polymerisation von Sol-Gel-Monomeren auf Metalloberflächen, wie sie bereits von D. Mandler1 et. al. und D. Johannsmann2 gezeigt wurde, bietet die Basis für die Entwicklung einer Technologie zur schonenden elektrochemischen Applikation von Funktionsschichten auf metallisierte Garne. Da die galvanische Verstärkung vormetallisierter Garne ebenfalls elektrochemisch erfolgt, liegt es nahe, die Haftvermittlerschichten durch kathodisch induzierte Polymerisation in einem, der galvanischen Verstärkung nachgeschalteten, Schritt direkt im kontinuierlichen Prozess zu erzeugen. Auf diese Weise können pro­zess­bedingte Beschädigungen der dünnen Metallschicht während der weiteren Verarbeitung vermieden werden.
Die kathodisch induzierten Polymerisationen lassen sich auch auf Kieselsäure übertragen, um auf diese Weise den flammpyrolytisch erzeugten Haftvermittlern vergleichbare SiOx-Nanoschichten unter viel milderen Bedingungen abzuscheiden. Bisher kommen diese elektrochemischen Beschichtungsprozesse nicht industriell zum Einsatz. Daher wurde untersucht, ob sich die kathodisch induzierte Polymerisation in eine Fertigungstechnologie überführen lässt. Zur Applikation von SiOx-Haftvermittlerschichten auf metallischen und metallisierten Garnen sind folgende Fragestellungen zu beantworten:

  1. Lässt sich Monokieselsäure auf einfache Weise kontinuierlich erzeugen und einem Elektrolytbad kontinuierlich zuführen?
  2. Gelingt es, die Kristallisation auf der Filamentoberfläche der metallischen Garne so zu steuern, dass sich nanoskalige Filme abscheiden lassen?

Da das Prozessfenster für eine nanoskalige Filmbildung klein und die Optimierung der Parameter folglich zeitaufwändig und kostenintensiv ist, wird der Abscheidungsprozess zunächst simuliert. Dies erfolgt in drei Schritten:

  1. Simulation des pH- und des Monokieselsäuregradienten an der Filamentoberfläche,
  2. Simulation der Keimbildung und des Keimwachstums an der Filamentoberfläche,
  3. Vereinigung beider Modelle in einem Gesamtmodell, mit dem die elektrochemische
    SiOx-Abscheidung beschrieben werden kann.

Mit dem Modell wurden Parameter, wie pH-Wert der Volumenphase, Stromdichte bei der Abscheidung, Dauer der Abscheidungspulse, und der Einfluss der Konvektion auf die Filmbildung untersucht und experimentelle Bedingungen ermittelt, die zu einer möglichst homogenen SiOx-Abscheidung führen. Diese Startparameter wurden in ersten Laborversuchen nachgestellt, um das Modell zu verifizieren und zu verbessern. Gleichzeitig wurde mit geeigneten Parametern die experimentelle Optimierung vorangetrieben und das Simulationsmodell verbessert. Auf diese Weise liegen neben den optimalen Abscheidungsbedingungen auch Erkenntnisse über den Abscheidungsmechanismus und ein entsprechendes Simulationstool vor. Mit Hilfe des Simulationstools und der Erfahrungen bei der kontinuierlichen Synthese der Monokieselsäure können zuverlässige Aussagen zur Überführbarkeit der elektrochemischen SiOx-Abscheidung in die Fertigungstechnologie katinPol zur Applikation von SiOx-Haftvermittlerschichten auf metallischen und metallisierten Garnen getroffen werden.

Ergebnis und Anwendungen
Die Versuche zur Neutralisierung von Wasserglas in Säuren haben gezeigt, dass durch die Zudosierung von Wasserglas in Salzsäure Monokieselsäure in einer Konzentration erzeugt werden kann, die für die elektrochemische Erzeugung von nanoskaligen SiOx-Filmen auf leitfähigen Garnen geeignet ist. Die Versuche mit anderen, nichtmineralischen Säuren waren jedoch erfolglos, so dass eine Fertigungstechnologie auf der Salzsäure oder einem entsprechend beladenen Ionenaustausch erfolgen muss, sowie das Verfahren nur auf rein metallisierte oder metallische Garne oder Textilstrukturen und nicht auf Mischstrukturen aus diesen und nichtleitfähigen Garnen anwendbar ist, insbesondere wenn diese durch beim Trocknen aufkonzentrierende Salzsäure angegriffen werden.

Das Simulationsmodell (vgl. Abb. 1) ist in den oben beschriebenen drei Entwicklungsschritten entwickelt worden. Die Abb. 2 zeigt das pH-Profil vor der Filamentoberfläche für optimale Abscheidungsbedingungen, bei denen nicht wie bei den ersten Simulationen der größte Teil der Monokieselsäure zu Oligomeren umgesetzt wird, die wieder in die Volumenphase diffundieren und nicht zu einem Schichtwachstum beitragen. Die Abb. 3 zeigt typische Konzentrationsprofile der Monokieselsäure unter diesen Bedingungen zur Filamentoberfläche. Das Simulationsmodell liefert eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Abscheidungsmechanismus der elektrochemisch induzierten kathodischen Polymerisation Abbildung 1: Schematische Darstellung des Abscheidungsmechanismus der elektrochemisch induzierten kathodischen Polymerisation Abbildung 2: Optimaler pH-Gradient für die Polykondensation der Monokieselsäure zur Abscheidung nanoskaliger 
SiO<sub>x</sub>-Schichten Abbildung 2: Optimaler pH-Gradient für die Polykondensation der Monokieselsäure zur Abscheidung nanoskaliger SiOx-Schichten

 

 

Abbildung 3: Simulierte diffusionskontrollierte Keimbildung an der Elektrode mit einer Keimbildungswahrscheinlichkeit von 0,5 % (0,05). Die Simulation des Diffusionsprofils erfolgte mittels zweidimensionaler expliziter Simulation mit DΔt/Δx<sup>2</sup> = 0,2 in einer mit einem Visual-Basic-Makro hinterlegten Exceltabelle. Abbildung 3: Simulierte diffusionskontrollierte Keimbildung an der Elektrode mit einer Keimbildungswahrscheinlichkeit von 0,5 % (0,05). Die Simulation des Diffusionsprofils erfolgte mittels ... Abbildung 4: Im Projekt entwickeltes Delphi-Programm zur Simulation des diffusionskontrollierten Keimwachstums und zur Optimierung der Nanoschichten Abbildung 4: Im Projekt entwickeltes Delphi-Programm zur Simulation des diffusionskontrollierten Keimwachstums und zur Optimierung der Nanoschichten

 

 

 

 

Auf der Basis der Simulationen können die Parameter für eine erfolgreiche experimentelle Abscheidung von SiOx ermittelt werden. Die Simulationen zeigen, dass durch kurze Pulse mit hohen Stromdichten kleine stochastisch verteilte Keime auf der Filamentoberfläche erzeugt werden, aus denen bei niedriger Stromdichte homogene Nanofilme wachsen. Durch die Über­tragung der Parameter auf das Experiment im Labormaßstab sind erfolgreich erste SiOx-Nanofilme erzeugt und durch Anfärben mit Methylenblau und durch EDX-Analysen mit dem REM nachgewiesen worden (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5: a) Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer elektrochemisch applizierten nanoskaligen SiO<sub>x</sub>-Schicht auf einem Garn ELITEX® 235f34 8|22|30 mit dem entsprechenden EDX-Elementmapping der Elemente Si und O; b) Lichtmikroskopische Aufnahme des mit Methylenblau angefärbten SiO<sub>x</sub>-Nanofilms Abbildung 5: a) Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer elektrochemisch applizierten nanoskaligen SiOx-Schicht auf einem Garn ELITEX® 235f34 8|22|30 mit dem entsprechenden EDX-Elementmapping der Elemente Si und O; b) Lichtmikroskopische Aufnahme des mit Methylenblau angefärbten SiOx-Nanofilms

Die Simulationen und die Modellierung der kontinuierlichen Synthese von Monokieselsäure sowie erste Vorversuche auf einer kontinuierlichen Fadenanlage bestätigen, dass sich die elektrochemische Abscheidung von SiOx-Nanoschichten für eine Fertigungstechnologie eignet. Allerdings erweisen sich Schadstoffspuren aus der galvanischen Metallisierung als problematisch. Diese führen zu einem verstärkten Keimwachstum und verhindern die Bildung von Nanoschichten, so dass nur von solchen Verunreinigungen befreite metallische Garne zum Einsatz kommen können oder für die Abscheidung cyanidfreie Elektrolyte zu verwenden sind.
Die Untersuchungen an unterschiedlichen galvanisch verstärkten metallisierten Garnen zeigen, dass sich auf nichtcytotoxischen metallisierten Garnen nach einer Spezialwäsche und solchen, die mittels cyanidfreier Silberbäder nachgalvanisiert worden sind, reproduzierbare nanoskalige SiOx-Haftvermittlerschichten elektrochemisch mittels kathionisch induzierter Polymerisation abscheiden lassen. Gleichzeitig wurde nachgewiesen, dass sich nicht nur die Haft­vermittlerschichten auf diesen Garnen elektrochemisch applizieren lassen. Mit dem neuen am Markt verfügbaren cyanidfreien Silberelektrolyten JE60 lässt sich die galvanische Verstärkung der Garne auch auf der Fadengalvanik-Anlage des TITV Greiz ohne zusätzliche Ultraschalltechnologie übertragen. Damit eröffnen sich neue Applikations­möglichkeiten für die galvanische Nachverstärkung von textilen Precursorstrukturen auf Basis cyanidfreier Elektrolyte.
Das katinPol-Verfahren stellt somit einen wesentlichen technologischen Baustein für die Entwicklung waschbeständiger smarter Textilien mit textiler Haptik und Erhalt der Luftdurchlässigkeit dar. Die dafür notwendige Permanenz der Schutz- und Funktionsschichten kann ausschließlich über eine chemische Bindung zur Oberfläche erzielt werden. Mit der katinPol-Technologie wird die dafür notwendige chemisch aktive Haftvermittlerschicht sowohl auf leitfähigen Garnen und leitfähigen Textilstrukturen in der Fläche als auch auf dem bereits mit elektronischen Bauelementen bestückten elektronischen Textil appliziert.

Ansprechpartner
Dr. Andreas Neudeck
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